Der Favoritenschreck

Von: Mark Bergmann - Freitag, 20. April 2012

Max Birkner kämpft gegen Arkadi Papikyan um die Europameisterschaft der WKA.
Die Amerikaner sagen: „Beurteile ein Buch nie nach seinem Einband.“ Auf kaum einen deutschen Kämpfer trifft diese Binsenweisheit wohl mehr zu, als auf den Hallenser Maximilian Birkner. Der 21-Jährige bestreitet am 05. Mai den Hauptkampf der III. la familia Fightnight in Halle an der Saale. Dabei sollte man sich von seiner Optik nicht täuschen lassen, „Maximus“ ist ein technisch versierter und hochgefährlicher Fighter, der in der Vergangenheit schon häufiger den Favoritenschreck gespielt und sich u.a. gegen Veteranen wie Steve Neumann durchgesetzt hat.

„Ich finde es beeindruckend, dass ein Mensch besser ist als der andere, ohne mehr Beine oder Hände zu haben; also ohne sichtlich stärker zu sein, dem anderen trotzdem überlegen sein kann“, verrät er uns im Interview. Am 05. Mai trifft er auf den Hamburger Arkadi Papikyan. Auf dem Spiel steht die Europameisterschaft der WKA.

GroundandPound: Max, du wirst am 05. Mai in Halle den Hauptkampf bestreiten. Wie viel Druck lastet auf deinen Schultern?
Maximilian Birkner: Nun, meine Familie schaut zu, meine Arbeitskollegen schauen zu, mein kompletter la familia Fightclub sieht zu und dann noch 3.000 andere Menschen, die sehen wollen, was ich kann. Außerdem habe ich noch nie verloren und ich soll als sogenannter Hauptakt des Abends in den Ring. Ich könnte noch mehr aufzählen… um es kurz zu fassen: sehr viel Druck lastet auf mir! Doch ich sage mir, dass egal in welcher Liga und Größenordnung ein Kampf stattfindet, er ist immer gleich. Zwei Männer, die sich mit Tritten, Schlägen und was noch erlaubt ist, gegenseitig bezwingen wollen. Nur das Drumherum ändert sich. Mal heißt es Vorkampf, mal Kampf des Abends, Kampf des Jahrhunderts, dann Weltmeisterschaftskampf usw., doch im Grunde bleibt es immer gleich. Im Ring ist egal, wie viele Freunde oder Geld man hat. Es stellt beide gleich. Jeder hat die gleichen Möglichkeiten. So gesehen lastet auf meinen Schultern nur der Druck, den ich mir selber mache.

Es geht gegen Arkadi Papikyan um die Europameisterschaft der WKA. Das wäre der größte Titel deiner bisherigen Karriere...
… das stimmt. Wenn ich bedenke, das ich nur so aus Lust an der Sache zum Training gehe und dann heißt es: „Max, du kämpfst dann und dann, dort und dort“. Mittlerweile werde ich nicht mal mehr gefragt, nur informiert. Ich habe mich nie um einen Kampf gekümmert. Ich bin nur beim Training und gebe mein Bestes. Alles andere ist von ganz allein gekommen. Mein Ziel war es, zehn Kämpfe zu machen und mindestens acht davon zu gewinnen. Das Ziel hatte ich mir gesteckt, als ich mit Kampfsport anfing. Über dieses Ziel bin ich jetzt schon hinausgeschossen. Einen Gürtel oder Titel hätte ich mir nie träumen lassen. Es macht mich schon stolz, wenn ich mir bewusst mache, was ich in der kurzen Zeit erreicht habe, in der ich Kampfsport trainiere.

Wie viel weißt du über Papikyan, hast du schon viel von ihm gesehen?
Ehrlich gesagt, nicht viel. Einige Videos bei YouTube habe ich mir angesehen, ansonsten nichts weiter. Nur vom Hörensagen weiß ich, dass er sehr gut boxt, ca. 70 Kilo wiegt und nicht viel größer ist als ich. Wie viele Kämpfe er genau hat, weiß ich nicht. Mehr, als mich hart vorzubereiten und beim Training alles zu geben, kann ich sowieso nicht tun.

Wie genau läuft deine Vorbereitung gerade, auf was für einen Kampf stellst du dich ein?
Sehr gut. Man hat immer mal einen guten und einen schlechten Tag, doch ich kann mich sehr gut motivieren und so kann ich alles drum herum ausschalten und tausend Prozent geben. Wie in jeder Vorbereitung, versuche ich ganz einfach alles immer besser, schneller, höher und weiter zu machen, als alle anderen. Oder eben meine eigenen Rekorde und Leistungen immer wieder zu verbessern. Remy Bonjasky, der kürzlich bei uns ein Seminar gegeben hat, meinte: ,,Train hard, fight easy!“. Das mache ich mir zum Motto. Schon immer. Ich stelle mich immer auf das Schlimmste ein. Ich denke bei einem Kampf nicht an den nächsten Tag.

Was für ein Ergebnis erwartest du denn – neben einem Sieg selbstverständlich?
Realistisch betrachtet tippe ich auf einen Punktsieg. Aber ich will mit einem KO siegen. Wie in jedem meiner Kämpfe, werde ich erst zum Ende hin richtig wach. Zumindest war es bisher immer so. Ich passe auf, dass ich nicht zu viel abkriege, und wenn ich dann aufgetaut bin, geht es richtig los. Oder dann hört es schon auf. Es wird sich zeigen…

Du warst in deiner Karriere schon Häufig der Außenseiter, konntest aber umso öfter mit einer Top-Leistung glänzen und die Favoriten aus dem Rennen werfen. Was meinst du woran es liegt, dass dich Gegner ab und an unterschätzen?
Ganz einfach: Mein Aussehen ist nicht gerade furchteinflößend. Besonders muskulös bin ich auch nicht. Und ich sehe sehr jung aus. Erst kürzlich wurde ich nach meinem Ausweis gefragt, als ich Wein kaufen wollte. Das passiert mir ehrlich gesagt oft. Außerdem bin ich nicht sehr groß. Ich werde nicht ernst genommen, solange ich nicht gezeigt habe, was ich kann. Das gilt für alle Lebensbereiche. Umso genugtuender ist es, meinen Gegner auf die Bretter zu schicken.

In der bis dahin voraussichtlich ausverkauften Volksbank Arena werden um die 3.000 Leute sitzen, im letzten Jahr war das Ding ein Hexenkessel – du bist Lokalmatador. Gibt das zusätzlich Kraft?
Ich würde mich selbst nicht als Lokalmatador bezeichnen, dass macht mich größer als ich es vermutlich bin. Und klar pushen 3.000 Menschen, wenn sie meinen Namen schreien. Es wird mir mit dieser Masse im Rücken leichter fallen, Schmerzen auszublenden, um ihnen allen den Wunsch eines KOs zu erfüllen.

Die la familia Fightnight hat sich zu einem Riesenevent entwickelt. Wie schön ist es, bei so einer Veranstaltung kämpfen zu können – und das auch noch vor der Haustür?
Es macht mich stolz. Ich habe schon vor der Gründung des la familia Fightclubs mit meinen Trainern trainiert. Ich bin praktisch von der Idee bis hin zur Umsetzung dabei. Ich habe vieles miterlebt. Es ist schön zu sehen, dass sich meine „Familia“ so entwickelt hat und noch immer nicht am Ende der Entwicklung steht.

Dein Fokus liegt nun natürlich erst einmal auf dem 05. Mai. Was können wir in diesem Jahr danach noch von dir erwarten?
Es wird immer schwieriger für mich Freundin, Training, Familie und Arbeit in Einklang zu bringen. Eines muss ich zu Gunsten des anderen immer vernachlässigen. Das fällt mir oft schwer. Wenn ich eine Möglichkeit finden würde, beruflich zu Kämpfen, würde ich sagen, dass der Weg nach oben meine Richtung sein wird. Im Ring wie im Alltag gilt für mich, stetig nach vorne zu kommen, mich immer weiterzuentwickeln und nicht zurück, nie schlechter zu werden. Ehrlich gesagt weiß ich selber nicht, was die Zukunft bringen wird.

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